The Unexpected

Michaela Niederkircher, construction (12 Teilige Serie): Digitalfotografie in Farbe, Ausbelichtung auf Fotopapier matt, 2018/19.
Diese Serie ist ein weiterer Baustein in der bereits seit Jahren von ihr fortgeführten Sammlung der sogenannten Stillen Räume, die unterschiedlichster Natur sind, und die sie fotografisch dokumentiert.

Inmitten eines kaum bebauten Landschaftsabschnitts ragt, einem Fremdkörper gleich und völlig unerwartet, eine imposante Industriefassade empor. Die funktionalistisch geprägte Hallenanlage steht in starkem Kontrast zur Vegetation; ihre Konturen behaupten sich auch gegen das Blau des Himmels. Obwohl die rohen Betonwände der Industriefassade an die Architektur des Brutalismus erinnern, drängen sich beim Betreten des unfertigen Bauwerks überraschend ästhetische Momente auf.
Ein gräulicher Vorhang aus textilem Gewebe flattert im Wind. Hinter dem verschleierten Durchgang verbirgt sich eine weitere Halle, die von einem mystifizierenden Spiel aus Licht und Schatten geprägt ist. Neben der Lichtwirkung erzeugen zarte Farbakzente Spannung: hier finden sich Gelb und Rosa aus verschiedenen Baumaterialien. Ausblicke in die umgebende grüne Landschaft, die durch mehrere Öffnungen freigegeben werden, stehen in besonders starkem Kontrast zu den einheitlich grauen Betonplatten des Baus.
Die architektonischen Lösungen im Inneren erscheinen ebenso faszinierend wie bizarr. An ein Bild des phantastischen Realismus erinnert ein in höchster Höhe angebrachter – in sich geschlossener – Raum, der nur über eine steile stählerne Freitreppe zu erreichen ist, welche im Gegensatz zu den Betonmassen fragil erscheint.
Ebenerdig findet sich im Übergang zu einem anderen Raum ein weiteres vorhangartiges Element, das wie eine Draperie angeordnet wurde, als stünde eine bewusste Formensprache dahinter. Weitere Maschinen, Werkzeuge und Materialien sind im Inneren des weitläufigen Gebäudes verteilt. Sie heben sich in ihrer Farbigkeit stark von dem grauen Umfeld ab und wirken wie verloren, fast einsam. Es erfasst einen Neugierde nach dem Sinn und Zweck dieser im Bau befindlichen Architektur, gleichzeitig überkommt einen auch der Hauch eines Schauers angesichts der enormen Dimension dieser Anlage. Jedoch: die stillen Räume sprechen für sich und konfrontieren mit poetischen Bildern. Mit spannungsvollen Details und anmutigen Konstruktionen wird die graue Wuchtigkeit ihrer Schwere beraubt und offenbart uns damit einen Blick auf ihren unverfälschten Charakter.

Text: Hanna Ruschitzka



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